Von Lutz Bernhardt
Björn Jansen passt gut ins Egmont. Jeans, blaues Hemd, Apfelschorle und auf dem Tisch das Smartphone, das er selbst als seine größte Drogenerfahrung verbucht. Björn, der Bürgermeister. Manchmal werde er bei offiziellen Anlässen nicht erkannt. Er sei dann der junge Hüpfer in der Ecke.
Ein Beispiel: Neulich bei einer Firmeneinweihung habe die Geschäftsführung sich für ihn nicht sonderlich interessiert. Er hat sich dann prima mit den Mitarbeitern unterhalten. Die Chefs kamen erst, als ihnen jemand gesteckt hatte, wer das ist.
Die Aachener sehen ihn als Bürgermeister bei den unzähligen Repräsentationsterminen: Blumenstrauß, Grußworte, Händeschütteln. Als Vorsitzender des Stadtsportbunds ist er vor allem in Vereinen und Schulen bekannt. Und er ist der Oberbürgermeisterkandidat, der zuerst nicht wollte und dann wohl.
Notstopfen? Da zieht er die Mundwinkel leicht nach unten: „Nein, ich bin kein Notstopfen.“ Er habe sich natürlich wegen der Umentscheidung in den Zeitungskommentaren die Backpfeifen abgeholt.
Aber er könne von sich ehrlich sagen, dass er sich weder bei seinem damaligen „Nein“ zur Kandidatur, noch bei seinem späteren „Ja“, von fremden Absichten habe treiben lassen. Das Nein fiel in einer Zeit, als nicht klar war, wie die Partei ihn tragen würde. Das Ja wurde mit 94 Prozent Zustimmung von den Delegierten abgesichert.
Stadt braucht mehr Führung
Das Wahlprogramm auf einem Bierdeckel. Das kommt für ihn überraschend. Björn Jansen bleibt ruhig, kurze Denkpause, und beginnt dann den Platzbedarf abwägend und strukturiert an den oberen Ecken, ganz der Diplom-Kaufmann.
Rechts schreibt er „Vereinbarkeit Familie + Beruf“ und links „bezahlbaren Wohnraum“. Familie und Beruf, da spricht er aus eigener Erfahrung: „Es ist schon schwer, das einigermaßen auf die Schiene zu kriegen.“
Er würde die Betreuungszeiten bei den städtischen Einrichtungen ausweiten, das wäre die wichtigste Maßnahme. „Eltern, die Vollzeit arbeiten wollen und dann vielleicht noch auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, können das ja kaum mit den Öffnungszeiten der Kindergärten zusammenbringen.“
Und damit habe man noch lange nicht den Leuten geholfen, die zum Beispiel bei der Polizei oder im Krankenhaus im Schichtdienst arbeiten. Die Stadt müsse hier Vorbild sein, auch als Arbeitgeber. „Es macht heute oft wenig Sinn, auf die Präsenszeiten zu gucken. Wir müssen auch in den Beamtenstrukturen anders denken.“
Thema Wohnraum: „Uns fehlen in der Stadt etwa 1.500 Wohnungen. Das wird Probleme auf allen möglichen Ebenen geben, weil es ganz unterschiedliche Teile der Bevölkerung betrifft.“ Singles, Studenten und Familien mit Kindern fänden nichts Bezahlbares mehr.
„Am alten Tivoli ist Wohnraum nicht unter 400.000 Euro zu kriegen. Wer soll sich das noch leisten?“ Für die Stadt habe es finanzielle Folgen, wenn zunehmend Studenten oder Familien nach Vaals oder Heerlen zögen. „Für jeden Erstwohnsitz, der hier verloren geht, fehlen der Stadt 850 Euro Schlüsselzuweisung vom Land.“
Bei 10.000 zusätzlichen Einwohnern, die der Campus vielleicht bringe (Deckel, unten links), rechnet der OB-Kandidat schnell die 8,5 Millionen Euro aus (unten rechts), „mit der die Stadt so einiges anfangen könnte.“ Zum Beispiel die kulturellen Angebote und die sportliche Infrastruktur bezahlbar halten.
Was wäre zu tun? Als Chef der Verwaltung würde er versuchen, über eine gemäßigte Verdichtung des Wohnraums und die Ausweisung weiterer Bebauungsflächen den Mangel zu beheben. Hier erlaubt sich Jansen noch die Spitze: Die Verwaltung habe derzeit ja überhaupt keine Führung, die Dezernate hätten sich verselbstständigt, ein OB müsse mal weniger repräsentieren und mehr machen.
Wenn Jansen erzählt, mustert er sein Gegenüber in Sekundensequenzen. Er verplaudert sich nicht, sondern schließt jeden Gedankengang sauber ab. Er sendet keine Dominanz-Botschaften, achtet aber darauf, Schlüsselsätze zu positionieren. Ein paar Mal zu viel fällt das Wort „authentisch“, verzeihlich. Wahlkampf ja, Machttrieb eher nein. Er tut nicht besserwisserisch, er ist freundlich. Zehn Jahre Rat, Ausschuss- und Aufsichtsratsarbeit haben seine Art, sich zu geben, nicht merklich auf Polit-Profi getrimmt.
Im Egmont wird es laut. Die ersten Mittagsgäste füllen die Tische, vom Libanesen nebenan wird das Essen gebracht. Björn Jansen benutzt nicht das Wort „Vision“, aber er zeichnet mit dem Kugelschreiber auf einer Briefmarkenfläche jetzt eine größere Vorstellung von der Stadtentwicklung der nächsten Jahrzehnte.
Wie wäre es, eine Bahnlinie von der Peterstraße bis zum Nordbahnhof zu bauen? Wie wäre es, dann in einem weiteren Schritt, das Gelände um den alten Schlachthof als neues kulturelles Zentrum zu beleben? Und noch weiter gedacht: Von hier aus ließe sich das Gebiet bis zur Soers grundsätzlich neu planen. „Ich könnte mir den Grünen Weg wirklich als grünen Weg mit einer Allee vorstellen, statt mit eingeschossigen Industriebauten.“
Noch ein Sprudelwasser für Björn Jansen. Für einen SPD-Kandidaten hat er eine wenig spektakuläre politische Prägung. Anders als seine Frau, die Aachener Landtagsabgeordnete Daniela Jansen, wurde Björn nicht schon von den Großeltern auf die Sozialdemokratie eingeschworen. Es waren die Studiengebühren von Schwarz-Gelb, die den BWL-Studenten seinerzeit empörten und damit sein Mitmachen begründeten.
Sein Grundthema sei bis heute die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. In einer Zeit, in der immer weniger Menschen den größten Teil des Geldes besäßen, sei das aktueller denn je. Aber soweit muss man gar nicht ausholen. Welche ist die größte politische Ungerechtigkeit in Aachen? Björn Jansen: „Mir schwillt der Kamm, wenn Kinder in Aachens Norden hungern. Und viele von uns rennen hier durch die Altstadt und machen einen auf Friede, Freude, Eierkuchen.“
Also: Projekt „Soziale Stadt“ auf den Deckel.
Ein Pferd, ein liebes Tier
Ein bisschen Platz ist noch. Jansen malt ein winziges Dreieck oben, mittig. Das Städtedreieck Aachen, Maastricht, Lüttich; die Spitze verbunden durch einen Kreis. „Wir können uns noch zwanzig Jahre damit beschäftigen, ob nun der Oberbürgermeister oder der Städteregionsrat einer Hundertjährigen den Blumenstrauß überreicht. Aber das interessiert doch die Menschen nicht. Wir müssen alles daran setzen, die Vorteile von Aachen-Maastricht-Lüttich zu nutzen und zu entwickeln.“
Und zum Schluss noch kurz gefragt: Wahlen im Tierreich, was für ein Tier wären Sie? Nach einigem Zögern: „Ein Pferd. Ein liebes Tier.“ Und Marcel Philipp: „Er ist ein Chamäleon.“ Und die Grünen-Kandidatin, Gisela Nacken? „Gemeine Frage“, er lacht. „Eher ein Herdentier.“ Bissig kann er also auch, der Herr Jansen. \
LINK: Marcel Philipp (CDU) im Porträt
LINK: Gisela Nacken (Grüne) im Porträt
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