Was soll Harper tun? Normalerweise muss sie sich eine solche Frage nicht stellen. Sie ist eine durchschnittliche Frau, deren Tagesablauf klar geregelt ist. Ihr Leben läuft einfach weiter. Scheinbar so lange die Welt sich dreht. Sie arbeitet viel und lange, hatte in den letzten 34 Wochen keinen Urlaub, ist freundlich und nett, hat einen Mann, der den Haushalt schmeißt und eine Tochter, die gut in der Schule ist.
Andererseits hat sie mit 41 Jahren noch nie eine Lederjacke besessen, war noch nie weiter weg als Italien und hat ihrem Vater nie gesagt, dass sie ihn liebt.
Ihr Leben gerät plötzlich aus den Fugen, als sie erfährt, dass ihr Vater im Sterben liegt. Obwohl es ihr Chef verbietet und sie weder Mann noch Kind informierte, macht sie sich auf, ihren Vater noch einmal zu sehen. Ihre Fahrt nach Hause wird gleichwohl eine Reise in die Vergangenheit, ins eigene Ich sowie ein Trip in eine andere Welt. In 48 Stunden stellt sich Harper ihren Ängsten, trifft verschiedene Menschen, hadert mit sich und ihrem Leben, verlässt ihre Familie und macht sich dennoch wieder auf den Rückweg.
Bettina Scheuritzel spielt eine klasse Harper Regan. Zu Beginn zu nett, immer mit eingezogenen Schultern, wirkt sie fast lebensmüde und ohne Elan. Jeder Entschluss, den sie trifft, scheint vorprogrammiert. Bis sie mit ihrer Rolle bricht. Am Anfang hätte man es der schüchternen Harper wohl nie zugetraut, dass sie in einem Pub den großschnäuzigen Mickey anbaggert, ihn für eine Lederjacke zusammenschlägt, um sich anschließend per Internet mit einem Lover für flotten Hotelzimmersex zu verabreden.
Als Haper ist sie ständig in Aktion, trifft im Stationsstück auf ihre Kollegen, die zum Teil mehrfach besetzt sind und in ihrer jeweiligen Rolle – und mag die Episode noch so kurz sein – eine Punktlandung auf der Bühne erzielen und mit Scheuritzel immer tiefer in die Geschichte eintauchen.
Passend zum Stück hat Matthias Koch, der in der Vergangenheit schon öfter mit dem Regisseur zusammen gearbeitet hat, ein Bühnenbild entworfen, dass sich in Form einer Spirale in die Tiefe der Bühne schlängelt und den einzelnen Episoden damit einen visuellen, metallischen Rahmen gibt. /// Kira Wirtz
1.,9.,13. und 20. 3.
„Haper Regan“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
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