Die Schauspieler spielen keine festen Rollen, reden den Text passiv samt der Regieanweisungen herunter, Bildschirme und eine Kamera auf der Bühne verfremden das Unmittelbare.
Die anspruchsvolle Inszenierung von Paul-Georg Dittrich konfrontiert auf erschütternde Weise mit (Selbst-)Vorwürfen, vor denen wir nur allzu gern die Augen verschließen: Die Verantwortung der dritten Welt gegenüber, die wir nach wie vor haben und deren Situation wir zu großen Teilen mitverschulden.
Ignorieren hilft nicht
Wiederkehrendes Muster in dieser zuweilen chaotisch anmutenden Inszenierung ist eine Art Goldfischglas, das sich auf verschiedenen Ebenen wiederholt: der Wasserbehälter auf der Bühne, der Glaskasten, hinter den sich die Schauspieler zurückziehen und an einer reich gedeckten Tafel speisen können, während außerhalb eine kritische Realität wartet.
Noch eine Ebene darüber sitzt das Publikum in einem Goldfischglas, einem goldverkleideten Saal – doch der Schein trügt. Die schöne Fassade kann nicht aufrechterhalten werden, die Außenwelt dringt ein mit ihren Vorwürfen, und auch auf der Bühne ist der Glaskasten kein Schutz mehr vor den miserablen Umständen. Die einzige Möglichkeit, sich der Realität, der Kritik zu entziehen, ist das aktive Wegsehen.
Sklaverei heute
Die Schauspieler sind nur Sklaven, beten ihren Text lakonisch nach, der ihnen von einem MP3-Player diktiert wird.
Und auch der Zuschauer wird schließlich zum Sklaven degradiert, als ihm das Mikro in die Hand gedrückt wird und er aktiv partizipieren muss.
Es erschreckt, wie aktuell Heiner Müllers Stück zur Thematik der Sklaverei im 21. Jahrhundert noch ist. Eine tiefgreifende Inszenierung, die trotz ihrer Abstraktheit gezielt alltägliche Gefühle und Gedanken aufspießt und gnadenlos vor Augen führt.
Glück ist gewissenlos
Schließlich wollen wir alle nur glücklich sein, auch wenn es bedeutet, das Unglück anderer zu ignorieren. Wie die Figur Debuisson treffend formuliert: „Ich schäme mich vor der Schande, in dieser Welt glücklich zu sein.“
Eine spannende Installation, die den Zuschauer fordert und dazu anregt, sich Gedanken zu machen.
Das Stück bildet den Auftakt zum Heiner-Müller-Symposium im November, das vom Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft der RWTH in Kooperation mit dem Theater Aachen und der Internationalen Heiner Müller Gesellschaft veranstaltet wird. \ bb
3., 10., 13., 21. + 30.10.
„Der Auftrag. Erinnerung an eine Revolution“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
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