Space-Odyssee in 70er-Jahre Optik oder wilde 90-Techno-Party im Berghain? Androgyne Liebessuche im unwegsamen Wald oder irre Klamauk-Parodie in Rockabilly-Style? Das alles in einem und in zweieinhalb Stunden? Kein Problem für Roland Hüves Inszenierung von Shakespeares „ein Sommernachtstraum“ am Theater Aachen.
Ein wahnsinniges Spektakel bietet sich dem Zuschauer und schnell wird klar: Shakespeares Stoff ist brand-aktuell, lässt sich dank genialem Bühnen- und Kostümbild (Lena Brexendorff) in die Moderne transferieren, es darf gelacht und gestaunt werden. Und das Beste: der „Sommernachtstraum“, oft gesehen, hat doch Neues zu entdecken. Die Szenen am Hof starr in Optik und auch Spiel. Wunderbar Thomas Hamm in weiß-silbernem Galaxis-Kostüm als spießig-verklemmter, dennoch angsteinflößender Theseus-Bösling und Marlina Mitterhofer als seine angeleinte Hippolyta in einem einengenden Mantelkleid mit unübersehbarem Freiheitsdrang. Weiter geht’s im dunklen Wald. Hier wird man in die mysteriöse Welt der Elfen und Feen eingeführt, die ihre eigene dunkle Party feiern. Allen voran Puck (Marco Wohlwend), der von dumpfen Beats begleitet über die Höhen und Tiefen der Drehbühne springt, sich hinter seiner Kapuze mit Neon-Striemen verbirgt, für mächtig Ärger unter den Liebenden sorgen wird und doch nur der Gehilfe von Oberon – wieder Thomas Hamm, nur jetzt nicht in weißer Space-Ritter-Montur sondern in schwarzem Blade-Runner-Outfit. Wenn die vier Liebenden (Tommy Wiesner, Alexander Wanat, Tina Schorcht und Stefanie Rösner) in den Wald stürmen und ihre steife Hofkleidung, in denen sie nicht mal die Arme heben konnten, abstreifen, sich in ihrer Androgynität angleichen, verschwindet die dunkle Atmosphäre und macht Platz für den Liebesrausch, bei dem jeder jeden lieben könnte und es ganz egal scheint, wer da wem folgt. Hier sei gesagt, dass Stefanie Rösner bei der Premiere, mit nur einer Woche Vorlauf für ihre erkrankte Kollegin Melina Pyschny, eingesprungen ist. Und das ohne einen Patzer, mit keinem My weniger Elan als die anderen drei Liebenden, die sich alle samt die Seele aus dem Leib zu spielen schienen. Dafür an dieser Stelle Zwischenapplaus.
Last, but not least die Handwerkertruppe rund um den bühnengeilen, aber eben auch recht dümmlichen Zettel, der sich zwischenzeitlich auch noch in einen Esel samt Maske und Suspensorium auf die Elfenparty verwirrt (herrlich überzeugend dämlich gespielt von Philipp Manuel Rothkopf). Mit ihren Auftritten sorgte das Handwerker-Team mit hoch toupiertem Haar und hohlem Hirn für laute Lacher. Insgesamt war das Publikum am Premierenabend begeistert, klatschte was das Zeug hielt. Und das hat das komplette Team absolut verdient.\ Kira Wirtz
„Ein Sommernachtstraum“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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