Stürmisch, nicht drängend „Kabale und Liebe“ handelt von der leidenschaftlichen Liebe zwischen der bürgerlichen Musikertochter Luise Miller und dem Adelssohn Ferdinand von Walter. Ihre reine, klare Liebe wird durch unterschiedliche Intrigen (Kabalen) – vor allem der Obrigkeit – zerstört. Schillers bürgerliches Trauerspiel, das 1784 seine Uraufführung feierte, gilt seitdem als Paradebeispiel für den Sturm und Drang, das Auflehnen gegen die Standesschranken und die Darstellung der moralischen Verdorbenheit der Oberschicht, die über das gemeine Bürgertum herrscht und es durch Intrigen kleinhält.
Nur leider hat man in der Inszenierung von Catharina Fillers nicht den Eindruck, dass ein durch die Obrigkeit initiierter geschriebener Brief Luises verantwortlich für die ganze Misere ist, sondern vielmehr deren naive Dummheit. Mach den Mund auf, Mädchen, denkt man sich. Denn so modern und rasch, wie die Inszenierung an Stellen ist, so verklärt und konträr ist Luises Drang und Ausdauer einen dämlichen Eid nicht zu brechen, statt ihre Meinung nach außen zu tragen. Das liegt möglicherweise daran, dass die Inszenierung immer wieder durch versteckte und offensichtliche Lacher von der Handlung ablenkt.
Zum Beispiel durch das Auf- und Zuklappen der einzelnen Fächer im Bühnenbild, das Verstecken und zum Vorscheinkommender Gegenstände in selbigen, die immer grotesker werdende Darstellung – obwohl gut gemacht – des Hofmarschall von Kalb oder das Aufeinandertreffen der Lady Milford und der Luise, beide eingesperrt wie Tiger im Käfig, die sich gegenseitig mit geschärften Krallen und Zähnefletschen bedrohen. „Kabale und Liebe“ gilt als typisches Stück – wenn nicht das bedeutendste Stück – des Sturm und Drangs.
Und einen solchen Klassiker wollte sich das Grenzlandtheater unter der Intendanz von Ingmar Otto in die Spielzeit holen. Dort, wo häufig moderne Stücke inszeniert werden, reiht sich der Klassiker keinesfalls als Fremdkörper ein. Mit gewohnter Spielfreude, cleverem Bühnenbild, Doppelbesetzungen und musikalischen Einlagen fasziniert „Kabale und Liebe“ die Besucher und lässt am Ende kaum einen Zuschauer mehr auf seinem Platz sitzen. Besonders Marius Schneider als Ferdinand und Florentine Beyer als Luise genießen den tosenden Applaus am Ende, Michel Kopmann in seiner Doppelrolle als Wurm und Hofmarschall von Kalb bekommt bereits während des Stücks durch die wiederkehrenden Lacher seitens des Publikums Zuspruch, genau wie Elena Weber, als schwatzwütige Mutter und leidenschaftliche Mätresse. Auch Wolfgang Mondon als fast schon cholerischer Vater und Stefan Viering als Präsident, der keine Widerworte duldet, sind in ihren Rollen gut besetzt. Dennoch: Irgendwas passt einfach nicht. Und damit sind nicht die wenig zeitgerechten Schuhe - nämlich Toms, die die Mutter unter ihrem langen Kleid trug, - gemeint. Es ist eher die Mischung aus Komödie und Drama, die die Chemie zwischen den einzelnen Protagonisten stört und vom eigentlichen ernsten Inhalt ablenkt. Hier wirkt der Musikus samt Frau streckenweise moderner als die an manchen Stellen zu wenig stürmisch und drängende Tochter Luise. Wie dem auch sei, am Ende sind die Liebenden tot. Schuld daran sind nicht nur die anderen. Und das Publikum ist begeistert. / Kira Wirtz Bis 21.4.2023 „Kabale und Liebe“ 20 (So 18) Uhr im Grenzlandtheater Aachen Ab 23.4.2023 „Kabale und Liebe“ diverse Orte und Uhrzeiten in der Städteregion
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