Der Österreicher Elias Hirschl ist noch keine 30 Jahre alt, hat aber bereits aktuell seinen vierten Roman veröffentlicht. „Salonfähig“, eine Politsatire, erschien 2021. Hirschl gelang hier die perfekte Beschreibung des Politikertypus Sebastian Kurz. „Survival of the Slimfittest“, wie die „Zeit“ schrieb. Die „Süddeutsche“ sah gar eine Mischung aus Philipp Amthor (CDU) und – gruselige Vorstellung – Patrick Bateman („American Psycho“). Das Überspitzen ist jedenfalls typisch für Elias Hirschl. Als Poetry Slammer hat er da auch genügend Material angesammelt.
Die namenlose Ich-Erzählerin in „Content“ arbeitet in der Content-Farm Smile Smile Inc., schreibt dort am Fließband sinnfreie „Listicles“ und kriegt ihr prekäres Leben nicht auf die Reihe. „Eine gedankenlose Abfolge routinierter Handgriffe: Google, Sehenswürdigkeiten, Indien, Strg. C, Strg. V, Text gliedern, Titel: Die Top 14 unterschätztesten Tourist Destinations in Indien. … Nächster Artikel, Google, Hollywood, Heroin, Strg. C, Strg. V, Text gliedern, Titel: Die 13 drogensüchtigsten Filmstars.“
Hirschl war ein halbes Jahr Stadtschreiber in Dortmund, und diese Umgebung hat eine deutliche Färbung in dem Roman hinterlassen: Sein beschriebenes fiktives Unternehmen liegt halbwegs verlassen in einem ehemaligen Bergbaugebiet und dem Rostgürtelstillgelegter Stahlproduktionsstätten. Die Gegend ist gefährlich unterlöchert von tief unter der Erde gelegenen Bergwerksstollen, die regelmäßig für kleinere Erdbeben sorgen, langsam aber sicher mit Wasser volllaufen und alle Gebäude zum Einsturz bringen werden.
Inspiriert hat Hirschl wohl auch der künstlich angelegte Dortmunder Phoenix-See mit seinen umliegenden Luxus-Immobilien auf dem ehemaligen Stahlwerksareal Phoenix-Ost. Für die Protagonistin im Roman bleibt der See im Blickfeld aus der 4. Etage eines Hochhauses im benachbarten heruntergekommenen Arbeiterviertel, in dem sie lebt.
Wer hinter der Firma steckt, weiß niemand in der Belegschaft. Smile Smile Inc. sitzt in Zypern und soll einem russischen Mutterkonzern gehören. Gescheiterte Drop-Outs bevölkern vor Ort ein Team, das täglich unsinnige Youtube-Videos („Is It Cake?“) und Memes zur Clickgenerierung produziert. Bots werden mit Informationen gefüttert um eines Tages selbsttätig die Arbeiten der Belegschaft übernehmen zu können. „Warum wurden wir nicht längst ersetzt“, fragt sich das Team immer wieder.
Das stetig tragische Scheitern der verschiedenen Start-Up-Gründungen von Jonas, mit dem die Erzählerin eine Affäre beginnt, gehört mit zu den lustigsten Kapiteln, die „Content“ – ohnehin nicht arm an Ironie, Satire und spitzfindigen Überhöhungen – zu bieten hat.
„Ich hatte bei ,Content‘ das Problem, dass während des Schreibprozesses riesige Umwälzungen stattfanden. Einerseits in Sachen Künstlicher Intelligenz und andererseits im Bereich Social-Media-Plattformen (Twitter)“, erläutert Hirschl. Der spitzfindigen Satire, die er geschrieben hat, hat dies jedenfalls nicht geschadet. (Richard Mariaux)
Elias Hirschl
„Content“
Zsolnay Verlag
224 Seiten
23 Euro
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